Hitlers Menschenhändler – Das Schicksal der „Austauschjuden“

Juden als Handelsware – SS-Schacher mit Menschenleben

Nach der verlorenen Entscheidungsschlacht von Rommels Afrikakorps bei El Alamein, besonders aber nach der verheerenden Niederlage und dem Verlust der 6. Armee in Stalingrad, dämmerte manchen Nazibonzen, dass ihr Eroberungskrieg nicht mehr zu gewinnen sei. So sollte das zweite Hauptziel der Nazibarbarei, die restlose Vernichtung des europäischen Judentums zu einem siegreichen Abschluss gebracht werden.

 

Mit der, bei der Wannseekonferenz 1942 beschlossenen „Endlösung der Judenfrage“, sollten nun beschleunigt alle Juden im Deutschen Reich und in den von der Hitlerarmee besetzten Teilen Europas vernichtet werden. Dafür sollte SS-Obersturmführer Adolf Eichmann sorgen. Er plante die Deportationen der Menschen in die Vernichtungslager, bestellte die Güterzüge der Reichsbahn und er ließ die Tötungskapazitäten der Todeslager berechnen. Er war damit mitverantwortlich für die Ermordung von Millionen europäischen Juden.

 

Bereits 1942 erdachte „Reichsführer-SS“ Heinrich Himmler einen zynischen Schacher mit Juden, sogenannten „Austauschjuden“. Anfangs ging es darum, diese Juden gegen hitlerbegeisterte Deutsche in Lateinamerika, den USA oder im Nahen Osten auszutauschen, sie „heim ins Reich“ zu bringen. Später, als sich die Kriegslage für Deutschland durch hohe Verluste an Soldaten und Material verschlechterte, sollten diese „Austauschjuden“ gegen Waffen, Fahrzeuge, kriegswichtige Rohstoffe und Devisen getauscht werden. Auch versuchten Himmler und einige andere SS-Größen mit „Austauschjuden“ ihre blutigen Hände rein zu waschen. So hofften sie, nach der sich abzeichnenden Niederlage und der darauf folgenden Abrechnung mit ihnen, zumindest der Todesstrafe zu entgehen.

 

Im Frühjahr 1943 wurde für „Austauschjuden“ das Sonderlager Bergen-Belsen nahe der holländischen Grenze in einem ehemaligen Kriegsgefangenenlager eingerichtet. Hier wurden die Menschen, die man zunächst nicht in die Vernichtungslager schickte, untergebracht. Sollte der Handel mit der Ware Mensch nicht, so wie geplant, funktionieren, konnte man sie immer noch ins Gas schicken. Anfangs war die Behandlung der Gefangenen besser als in den anderen Konzentrationslagern. Das blieb nicht so und 1945 verhungerten die Menschen und starben an Krankheiten zu Tausenden.

 

Stefan Aust, langjähriger Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel und Thomas Ammann, früher Mitarbeiter des NDR-TV´s und leitender Redakteur bei Spiegel-TV haben über diesen zynischen Handel mit den „Austauschjuden“ ein spannendes Buch geschrieben. Im Zentrum ihrer Berichte stehen die wechselvollen Verhandlungen 1944/45 um das Leben tausender ungarischer Juden. Die SS wollte für 1 Million Juden 10.000 Lastkraftwagen von den internationalen jüdischen Organisationen haben. Im August 1944 konnten 318 Gefangene, im Dezember 1944 konnten weitere 1.351 Personen aus dem Ungarnlager in Bergen-Belsen in die Schweiz ausreisen und so dem sicheren Tod entrinnen.

Zwei jüdische Gefangene, Rudolf Kasztner und Joel Brand verhandelten unter Einsatz ihres Lebens zwischen der SS und den internationalen jüdischen Organisationen. Sie bemühten sich dabei, möglichst viele ungarische Juden zu retten. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, Joel Brand wird in Istanbul als Spion festgehalten. Die Westalliierten sträubten sich gegen den Deal mit den Nazis, die jüdischen Organisationen wollten mehr Menschen für weniger Waren oder Devisen. Während der Verhandlungen rollten die Züge mit ungarischen Juden weiter nach Auschwitz. Ein Wettlauf mit der Zeit begann. Zwischen höheren SS-Kreisen tobten heftige Auseinandersetzungen. Sollte man die wenigen übrig gebliebenen Juden am Leben lassen oder nicht. Kaltenbrunner, Müller und Eichmann wollten die restlose Vernichtung, andere SS-Offiziere , so auch Himmler , hofften, dass mit den restlichen Juden ein Angebot eines Sonderfriedens mit den Anglo-Amerikanern erzielt werden könnte.

 

Kasztner konnte mit seiner Familie mit dem Dezembertransport der Hölle entrinnen. In Israel wurde er der Kollaboration mit den Nazis beschuldigt und vor Gericht gestellt. Letztendlich wurde er am 21.Juni 1955 in vollem Umfang rehabilitiert. Am 3.März 1957 wurde Rudolf Kasztner von einer Gruppe junger, rechtsradikaler Juden in Tel Aviv erschossen.

Thomas Ammann/Stefan Aust: Hitlers Menschenhändler – das Schicksal der „Austauschjuden“; Rotbuch Verlag, Berlin, 2013; 334 Seiten; ISBN 978-3-86789-186-8; 25,70€